Beitrag Nr.1

CAÑADA’s [IN]formal REALanguage


The Landscape as a Pattern of Languages

 
- Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung - 10. Semester -
- Einzelarbeit -

 
 
Was war die Aufgabestellung?
Cañada Real Galiana, Europas größte informelle Siedlung, wuchs über Jahrzehnte ignoriert und im Schatten der Aufmerksamkeit der Stadtgesellschaft von Madrid zu einem Ort, an welchem sich soziale Segregation manifestiert und gleichzeitig 40.000 Menschen ihre Heimat aufgebaut haben. Der Entwurf geht der Frage nach, inwiefern die informelle Siedlungsstruktur mit den bereits herangewachsenen und aktuell heranwachsenden Planstädten von Madrid zu vermitteln ist.

Was war die Herausforderung der Aufgabe:
Die im Osten der spanischen Hauptstadt Madrid liegende Cañada Real Galiana gilt als die größte informelle Siedlung von Europa. Mit einer Gesamtlänge von 15 Kilometern, auf einem vormals zum Viehtrift genutzten Landschaftsraum, beheimatet die Siedlung 30.000 – 40.000 Menschen. Aufgrund ihres sowohl rechtlich, und daraus folgend strukturell, informellen Charakters wird die über Jahrzehnte lang gewachsene Siedlungsstruktur von der Stadtgesellschaft als Fremdkörper in der Landschaft wahrgenommen, welche zunehmend von städtebaulichen Großprojekten im suburbanen Raum der Hauptstadt geprägt wird. Wo diese unterschiedlichen Strukturen räumlich aneinanderwachsen, scheinen die unterschiedlichen Subkulturen nicht zusammen, sondern gegenseitige zu wachsen. Wie lassen sich diese unterschiedlichen Subkulturen bzw. Gesellschaften miteinander vermitteln, indem die Cañada Real Galiana in ihrer einzigartigen Struktur eines lang gewachsenen Landschaftsraumes als Qualität in der Landschaft wahrgenommen wird, gleichzeitig die formellen Neubauprojekte ihre Qualität zu der vorhandenen Landschaft hinzufügen und so eine gegenseitige Akzeptanz zwischen Subkulturen der Cañada und der heranwachsenden Neubauprojekte entsteht.

Welche Ansätze und Ideen sind für die Lösung der Aufgabe gefunden worden?
Der Entwurf CAÑADA’s (IN)formal REALanguage stellt die Hypothese auf, dass die soziale Integration der Cañada Real Galiana und ihre Vermittlung mit dem sich wandelnden Kontext in Form einer gemeinsamen Kommunikation zwischen den Subkulturen bzw. Gesellschaften der Cañada und denen, der heranwachsenden Planstädten von der räumlichen Kommunikation der jeweilig zugehörigen Landschaftsräume abhängt. Dieser Betrachtung folgend werden die unterschiedlichen Landschaftsräume als verschiedene strukturelle Sprachen betrachtet, welche über den Entwurf miteinander vermittelt werden. Das methodische Grundgerüst für dieses Konzept bildet die Theorie der „Pattern Language“ von Christopher Alexander welche die Landschaft als ein Konglomerat aus Mustern betrachtet, die aufeinander aufbauen und so gemeinsam eine Hierarchie von der kleinst- in die größtmögliche Maßstabsebene bilden. Als Basis für die Vermittlung der Sprachen zweier unterschiedlicher Subkulturen wird der Charakter der jeweiligen Kultur von der Maßstabsebene des einzelnen Individuums über die Gemeinschaft dieser Individuen in Nachbarschaften hin zu der Subkultur bzw. Gesellschaft, bestehend aus verschiedenen Nachbarschaften, in den öffentlichen Raum übersetzt. Auf Basis der Identifikation der eigenen, sich aus verschiedenen Ebenen und ihren Mustern bildenden, Sprache werden im größten Maßstab und letzten Entwurfsschritt die Subkultur der informellen Siedlung Cañada mit der Subkultur der formellen Planstadt Rivas-Vaciamadrid miteinander beispielhaft vermittelt. Diese Vermittlung vom kleinsten Maßstab auf Ebene des Individuums hin zum größten Maßstab auf Ebene einer gesamten Subkultur bzw. Gesellschaft bildet das Grundgerüst für die Gesellschaften der Cañada und der Planstädte, Unterschiede nicht zum Anlass der gegenseitigen Stigmatisierung zu nehmen, sondern jene Unterschiede über die Muster, aus welchen sie bestehen, im ersten Schritt für sich zu identifizieren und über die eigene Identität im zweiten Schritt Unterschiede miteinander räumlich zu kommunizieren und so zu respektieren.



 
Innovation: Welche Aspekte sind besonders kreativ und originell an der Arbeit?
Der Entwurf lässt sich nur schwer in eine Kategorie der „klassischen“ Ent wurfspraxis einordnen, weil er keinen vorgesehenen „Endzustand“ auf einen Ort projeziert. Der Entwurf beschreibt weniger einen anzustrebenden räumlichen Zustand als, dass er den konzeptionellen Rahmen für einen Prozess absteckt. Dieser konzeptionelle Rahmen bietet eine sehr hohe Varianz an Möglichkeiten und genau so soll der Entwurf auch verstanden werden. Als eine Dokumentation und Weiterschreibung von Möglichkeiten und ihren Räumen für die zukünftige Entwicklung der Cañada Real Galiana im landschaftlichen Kontext. Insofern ist es auch passender im Rahmen dieser Arbeit von Möglichkeits- als von Entwurfsräumen zu sprechen.

Nachhaltigkeit: Welche Aspekte der Arbeit sind ökologisch, ökonomisch oder sozial nachhaltig?
In dieser Hinsicht unternimmt der Autor mit dem Entwurf den Versuch, einen Grad zu treffen, in welchem er einen starken Rahmen an Möglichkeiten des Entwerfens für die Gesellschaft vor Ort schafft und gleichzeitig keinen zu stark planerischen Rahmen vorzugeben, mit welchem die Menschen selber nicht arbeiten können. Hier liegt der wohl komplexeste Punkt in dem Entwurf, da es eine sehr schmale Gradwanderung ist, sich dem Raum in der Frage dahingehend anzunähern, wie weit man als Planer, der die Lebnsrealitäten in der informellen Siedlung nur für einen kurzen Augenblick erlebt, in diesen Raum mit seinen Protagonisten eingreift. Am Ende geht es im Entwurf somit in aller erster Linie darum, den Menschen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihren eigenen Raum, in welchem sie leben und den sie besser kennen als jeder andere, selber miteinander zu verhandeln.